Faszination für Ingenieurkunst in Drahtseilen
Marco Elig: Maschinenbauingenieur, Geschäftsführer und Entwicklungsingenieur
Wenn es nach Marco Elig ginge, würde er seinem derzeitigen Arbeitsplatz bis zur Rente treu bleiben. Aber nicht, weil er sich so bequem darauf eingerichtet hätte, sondern weil er sein Beschäftigungsfeld auch auf lange Sicht noch vor ständig neuen Herausforderungen sieht. „Was mich antreibt, ist die Gewissheit, dass rund um dieses Produkt stets neue Herausforderungen und Innovationschancen entstehen, die immer wieder frische Ideen und Ansätze erfordern“, sagt der Maschinenbauabsolvent und heutige Geschäftsführer und Entwicklungsingenieur der KV R&D Center GmbH im westpfälzischen Contwig. Die GmbH ist die Entwicklungsgesellschaft der Spezialdrahtseilhersteller Kiswire Ltd. und verope AG. Hier werden in enger Abstimmung mit den Mutterkonzernen innovative Neuentwicklungen vorangetrieben, um maßgeschneiderte Lösungen für anspruchsvolle Anwendungen zu schaffen.
Angefangen, sich mit Drahtseilen zu beschäftigen hat Marco Elig im Jahr 2015, als er eine Tätigkeit bei der verope Service Center GmbH aufnahm. Seither hat er seine Faszination für dieses Produkt entdeckt und es lässt ihn nicht mehr los. „Es sieht so einfach aus“, sagt er und ergänzt gleich: „Ist es aber nicht!“. Es gebe so viele Möglichkeiten, Drahtseilen besondere Eigenschaften und Fähigkeiten zu verpassen – und ganz neu: diese Möglichkeiten durch hybride Fertigung zusätzlich enorm auszuweiten. Auch was Kosten und Nachhaltigkeit betreffe, komme durch die hybride Fertigung eine neue Variationsbreite ins Spiel. Meist wird hierbei der Kern des Seils durch synthetisch hergestellte Materialien wie Aramid, einer hochfesten und hochtemperaturbeständigen Faser ersetzt. Aber auch Fasern aus nachwachsenden Rohstoffen finden Verwendung.
Dabei macht für den leidenschaftlichen Ingenieur die Forschung nach den Ursachen den eigentlichen Reiz aus. Warum funktioniert etwas auf die eine Art, auf die andere aber nicht? An welchen Stellschrauben muss ich drehen, um immer noch ein weiteres Quäntchen an Optimierung herauszuholen? Bezogen auf das Produkt Seil könnte das heißen: Warum reißt ein Seil auf eine bestimmte Anfertigungsart auf eine andere nicht, wenn es derselben Zugkraft ausgesetzt wird? Warum ist es auf die eine Herstellungsart flexibler als auf die andere?
„Kein Seil ist wie das andere und kein Tag ist hier wie der andere. Das macht den Reiz meiner Arbeit aus“, spricht die Begeisterung aus Marco Elig. Und tatsächlich ist ein Seil – egal ob reines Stahlseil oder mit Kunststoffkern ein kleines Wunderwerk der Technik und Ingenieurkunst: Ein Seil ist weit mehr als nur ein Geflecht aus ineinandergeschlagenen Drähten. Es besteht aus einer Vielzahl einzelner Stränge, die aus mehreren Einzeldrähten gefertigt werden. Diese Drähte werden spindelförmig um einen zentralen Drahtkern geschlagen, um einen Strang zu bilden. Mehrere solcher Stränge werden wiederum spindelförmig um einen Kernstrang geschlagen, wodurch Schichten entstehen, die übereinanderliegen können.
Die Konstruktion des Seils kann auf vielfältige Weise variiert werden: Die Stränge können alle in dieselbe Richtung geschlagen sein, oder es wird eine gegenläufig geschlagene Zwischenschicht eingefügt. Zudem beeinflussen Faktoren wie die Materialauswahl und Stärke der Einzeldrähte oder Fasern, die Dicke und Anordnung der Schichten sowie deren mögliche Veredelung – beispielsweise durch spezielle Beschichtungen – die Eigenschaften des Seils. Diese konstruktiven Details bestimmen letztlich die Einsatzmöglichkeiten, Belastbarkeit und Lebensdauer des fertigen Produkts.
Ein Seil, das in einem Kran hohe Lasten anheben muss, die zudem geschwenkt werden und das zusätzlich den Wechsel zwischen Scheiben unterschiedlicher Größe, über die es geführt wird, aushalten muss, ist ganz anderen Belastungen ausgesetzt und braucht ganz andere Leistungsmerkmale als ein Seil, das 3000 Meter in eine Mine hineinreichen und in der Waagrechten etwas ziehen muss. Das Kranseil muss beispielsweise besonders biegsam sein, gleichzeitig jedoch eine minimale Dehnung aufweisen, ein Verdrehen der angehängten Last sollte verhindert werden. Im Gegensatz dazu liegt der Fokus bei einem Minenseil mitunter einem möglichst geringen Gewicht, der Effizienz wegen oder der Verschleißbeständigkeit.
Bei reinen Stahlseilen sei der Endpunkt für Innovationsfähigkeit nahezu erreicht, sagt Marco Elig. Aber auch hier gebe es noch viel Potential für Verbesserungen: „Es liegt vor allem in einem auf Kunden zugeschnittenen Service.“ Dazu gehöre das sehr innovative Condition-Monitoring. Dieses ermöglicht eine relativ genaue Lebensdauerabschätzung durch eine permanente automatisierte Zustandsüberwachung des Seiltriebs. Dieser Service vermeidet Stillstand in der Anwendung und spart den Kunden dadurch enorme Kosten.
Sein umfangreiches Arbeitspensum bewältigt der Geschäftsführer mit einem gut organisierten und durchgeplanten Arbeitstag. Der Montag ist Besprechungstag. Hier berichten Ingenieure und Mitarbeitende des fünfköpfigen Teams plus fünf Studierende und ein Minijobber, was in der vergangenen Woche gemacht wurde und es werden die anstehenden Aufgaben für die kommende Woche besprochen: Beispielsweise muss eine neue Prüfanlage eingerichtet, Tests ausgewertet oder Berichte erstellt werden. Im Rest der Woche stehen Gespräche mit Kunden, Besuche oder administrative Aufgaben an. Auch in den Projekten arbeitet er mit, soweit es seine Zeit zulässt und er hierfür zunächst administrative Aufgaben wie das Reporting, Finanzen und Budgetierung erledigt oder sich um Dinge wie Versicherungen und Patentwesen gekümmert hat. „Eigentlich bin ich hier ‚Erster alles‘“ lacht er und bekräftigt, dass ihm seine Arbeit sehr viel Spaß macht, vor allem das Arbeitsklima: „Wir sind ein sehr junges Team, der Älteste ist vierzig und bei uns läuft vieles nach dem Prinzip ‚learning by doing‘.“
Durch sein Maschinenbaustudium an der Hochschule Kaiserslautern fühlt sich der 37jährige Familienvater gut auf seine jetzige Arbeit vorbereitet: „Im Studium habe ich strukturiertes Arbeiten gelernt und die Fähigkeit erworben, ein Problem zu erkennen und es systematisch zu lösen. Das war in jedem Modul angelegt.“ Heute hat er selbst Freude daran, Studierende zu begleiten. Er betreut immer wieder Studien- und Abschlussarbeiten zu Themen aus dem Unternehmen.