Wenn es kompliziert wird, wird es interessant für mich
Christian Schrumpf, Absolvent der Digitalen Medien und Strategy Analyst bei Volvo Cars für den Bereich Autonomes Fahren
Christian Schrumpf ist immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen: „Raus aus der Komfortzone“, sagt der Absolvent der Digitalen Medien – heute Medieninformatik – sei das was ihn reize: „Wenn es kompliziert wird, wird es interessant für mich.“
So hat er sich nach dem Abschluss seines Diplom-Studiums 2004 in Zweibrücken und anschließendem Masterstudium an der Universität Bremen in mehreren Startups ausprobiert. Selbst initiiert hat er gemeinsam mit einem Arbeitskollegen Spaactor, eine Suchmaschine für audiovisuelle Medien, die es ermöglicht, Podcasts und Videos nach Stichworten, Namen oder Sätzen im gesprochenen Wort zu durchsuchen. Das funktionierte auch einwandfrei und Print-, Fernseh- und Radiojournalisten gehörten zu den dankbaren Kunden. Da es sich aber um eine durch Werbung finanzierte Suchmaschine handelte, aber nie genügend Reichweite erzielt werden konnte, um ihm und seinem Mitgründer ein sorgenfreies Leben zu garantieren, verkaufte er seinen Anteil.
Obwohl sich Christian Schrumpf seit seiner Diplomarbeit, die er am Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS schrieb, mit Spracherkennung und Künstlicher Intelligenz beschäftigte, versuchte er sich nun auf einem ganz neuen Gebiet, für das er ebenfalls ein Startup plante: Er konzipierte ein fliegendes Windkraftwerk mit einem Rotor in einer mit Wasserstoff befüllten Hülle. Ein ganzes Jahr nahm er sich Zeit, um sich intensiv mit der Thematik auseinanderzusetzen, Fachliteratur zu wälzen und an (Online-) Seminaren teilzunehmen. Ein Flugwindkraftwerk hat gegenüber konventionellen Windkraftanlagen den Vorteil, dass in 1000 Metern Höhe, in denen es eingesetzt werden soll, nie Flaute herrscht und man mit einer permanenten Energieversorgung rechnen kann. Außerdem verursacht es auf der Erde weder Schattenwurf noch Lärm und stellt auch für Vögel kaum eine Gefahr dar. Alles war bereit, um mit dem Startup loszulegen: Seine Entwürfe hatte er von Experten prüfen lassen und ein Patent war angemeldet – und dann kam Corona und die Pläne lagen erstmal auf Eis.
Da er inzwischen eine Familie gegründet hatte und finanzielle Sicherheit nun eine größere Rolle spielte, entschied sich der Informatiker, eine Stelle beim Unternehmen Volvo Cars in Schweden anzunehmen, zumal seine Frau Schwedin ist. So zog er von Bremen nach Göteborg.
Zwar vermisst er manchmal die große Unabhängigkeit in einem Startup und die Freiheit, ohne Vorgaben neue Ideen und Konzepte zu entwickeln sowie die Atmosphäre des gemeinsamen Aufbruchs, aber der wesentlich geringere Workload in einem Anstellungsverhältnis sei im Hinblick auf die Familie mit kleinen Kindern sehr angenehm. Zudem mache ihm seine aktuelle Tätigkeit als Strategy Analyst sehr viel Spaß und die Aufgabe, eine Roadmap für den Bereich des Autonomen Fahrens bei Volvo Cars zu erstellen, erlebt er als erfüllende Herausforderung.
Auch zuvor war er schon bei Volvo Cars beschäftigt und befasste sich als Function Owner mehr als drei Jahre damit, das Fahrzeug-Handbuch besser auf Nutzer anzupassen. Am Thema Usability hat er schon während seines Hochschulstudiums in Zweibrücken sehr interessiert und intensiv gearbeitet. Besonders gern erinnert er sich an die Vorlesungen von Professor Wallach: „Er hat uns vor allem immer sehr anschaulich vor Augen geführt, wie man es nicht machen sollte“, schmunzelt er. Bei Volvo Cars hat der Informatiker dann beispielsweise daran gearbeitet, wie man mit Hilfe Künstlicher Intelligenz per Spracherkennung auf das Handbuch zugreifen kann und auch per Sprache eine Antwort bekommt.
Seine aktuelle Arbeit an der Roadmap für Autonomes Fahren charakterisiert Christian Schrumpf mit den Begriffen Strategie, Weitsicht, Koordinierung und Interaktion. So muss sein sehr vielfältiges und umfassendes Tun immer auf das Ziel ausgerichtet sein, eine Vision für ein innovatives Produkt zu schaffen, das sich gut auf dem Markt behaupten kann. Auch gehört sehr viel Recherchearbeit, die Kommunikation mit Experten und der Austausch mit Mitarbeitenden anderer Abteilungen dazu, die in Innovationsprozesse eingebunden sind. Es gilt, Konkurrenzprodukte genau unter die Lupe zu nehmen, auch mal eine Probefahrt zu machen, um festzustellen, was gut läuft, aber auch, wo noch Optimierungsbedarf besteht und bei den eigenen Entwicklungen besser gemacht werden soll. Zudem müssen Kundenwünsche auf unterschiedlichen Märkten eruiert werden. So stellen potentielle Kunden auf dem chinesischen oder dem US-amerikanischen Markt zum Teil ganz andere Ansprüche an Fahrkomfort und Fahrerlebnis als Kunden auf dem europäischen Markt. Von Bedeutung ist zudem, auf individuelle Fahrstile eingehen zu können. Hier sollte sich beim Autonomen Fahren die KI des Wagens möglichst auf die übliche Fahrweise des Individuums hinter dem Steuer einstellen.
Für die Roadmap muss Christian Schrumpf auch im Blick haben, welche Ansprüche in welcher Form umgesetzt werden könnten und wie die Chancen auf eine tatsächliche Realisierung stehen. Dabei wiederum kommt ihm seine Expertise auf den Gebieten Usability und KI zugute. Und, so sagt er: „Man muss Ansatzpunkte finden, möglichst in die Zukunft schauen zu können – wie wird der Markt sich entwickeln? Was wird technisch möglich sein?“ Hier ist Christian Schrumpf in seinem Element, denn, wie er sagt: „Wenn es kompliziert wird, wird es interessant für mich.“