He’s a Rocket Man

Fabian Braun hat seinen Bachelor im Maschinenbau an der Hochschule Kaiserslautern gemacht. In einem derartigen traditionellen Studiengang erwartet man landläufig nicht gerade „Rocket Science“. Doch weit gefehlt. Praktikum und Bachelorarbeit absolvierte der gebürtige Wormser Braun bei einem ambitionierten deutschen Raketenbauer. Im Interview erzählt er von seinen faszinierenden Erfahrungen bei der Rocket Factory Augsburg (RFA).

 

Herr Braun, was studieren Sie und wie ist Ihr Studium bisher verlaufen?

Nach dem Abitur war ich mir sehr unsicher, was ich mit meinem weiteren Leben anfangen soll. Dann habe mich kurzfristig zu Maschinenbau Studium an der Hochschule Kaiserslautern entschieden. Trotz anfänglicher Zweifel hat sich diese Entscheidung als absolut richtig für mich herausgestellt. Ich habe nicht nur schnell gute Freund*innen an der Hochschule gefunden, sondern auch das Studium interessierte mich sehr. Um meine Fähigkeiten als Ingenieur noch weiter zu verbessern bin ich dem Formula Student Team KaRaT e.V. (Kaiserslautern Racing Team) beigetreten und habe hier zusammen mit Gleichgesinnten neben dem Studium ein Rennauto gebaut.

 

Wie kam es, dass Sie in der Rocket Factory Augsburg (RFA) mitarbeiten durften?

Ursprünglich habe ich mich bei der Suche nach Unternehmen für mein Praktikum hauptsächlich auf Firmen aus der Automobilindustrie beworben. Als meine Bewerbungsphase mit anderen Unternehmen schon weiter vorgeschritten war, entdeckte ich ein Video über ein deutsches Raketenstartup. Ich hatte meine Chancen als nicht wirklich hoch eingeschätzt, trotzdem habe ich kurzerhand angerufen. Wenige Tage später hatte ich ein Bewerbungsgespräch via Zoom. Ich vermute, dass mir die Erfahrungen, die ich bei KaRaT e.V. gesammelt habe und meine Englischkenntnisse – bei RFA ist Englisch Unternehmenssprache – beim Bewerbungsgespräch zugute kamen.

 

Was waren Ihre Aufgaben in der RFA?

Im Verlauf meines sechsmonatigen Praktikums und der darauffolgenden dreimonatigen Bachelorarbeit hatte ich viele verschiedene Aufgaben im Bereich Design (Konstruktion). Ich habe mich hauptsächlich mit der Entwicklung und dem Design von Raketenteilen beschäftigt und diese auch in die Fertigung gegeben. Weiterhin hatte ich die Chance komplizierte Zukaufteile auseinanderzubauen und Gründe für deren Versagen zu analysieren. Außerdem war ich für die Betreuung und Konstruktion mehrerer Teststände verantwortlich.

 

Haben Sie sich vorher schon mit Raketentechnik auseinandergesetzt?

In der Zeit kurz vor (und erst recht während) meines Praktikums bei RFA hat mein Interesse an Raumfahrt drastisch zugenommen. Zu Beginn meiner Arbeit bei RFA wusste ich allerdings nahezu nichts über Raketen.

 

Wie groß war Ihre Arbeitsgruppe und womit beschäftigte sich diese?

Ich war im „Structual-Departement“ beschäftigt. Zu meiner Zeit waren das ca. 15 Personen. Wir haben uns mit der Auslegung und Konstruktion aller Bauteile der Rakete beschäftigt. Lediglich Triebwerk und Elektronik gehörten nicht zu unseren Aufgaben.

 

Wie war die Zusammenarbeit? Haben Sie Freunde gefunden?

Eine der großen Vorteile an RFA ist die große Anzahl an Praktikant*innen. Ich kann nicht eine Person nennen, mit der ich mich bei RFA nicht verstanden hätte. Das Schöne ist, trotz kultureller Unterschiede sind doch alle in ihrer Leidenschaft für Raketen oder Maschinenbau vereint. Ich habe während meiner Zeit bei RFA enge Freund*innen gefunden, mit denen ich gerne meine Freizeit verbracht habe und auch immer noch in Kontakt stehe.

 

Was haben Sie gedacht, als Sie hörten, dass RFA Raketen baut wie andere Firmen Autos?

Da mir bewusst war, dass es sich um ein Startup mit sehr ambitionierten Zielen handelt, bin ich von einem dynamischen und anspruchsvollen Arbeitsumfeld ausgegangen. Und ich wurde nicht enttäuscht. Im Gegenteil, ich erhielt nicht nur direkt anspruchsvolle und interessante Aufgaben, sondern allen Praktikant*innen wurde ein hohes Maß an Verantwortung übertragen. Das gewährte uns einen tiefen Einblick in die Funktionsweise der Produkte und das Geschäftsmodell der Firma.

 

Was hat Sie in ihrer Zeit in Augsburg am meisten beeindruckt?

Wenn Sie von der Stadt reden: Augsburg ist besonders im Sommer eine wunderschöne Stadt. Nach der Arbeit sind wir oft in einem der zahlreichen Flüsse schwimmen gegangen oder haben uns in einen Biergarten gesetzt. Im Winter zieht es viele in die nahe gelegenen Berge zum Skifahren. Kommen wir zur Firma: Die Passion und der Kampfgeist, mit denen sich das Team von RFA den anspruchsvollen Aufgaben stellt und sich auch von Rückschlägen nicht unterkriegen lässt, ist bewundernswert. Schwierigkeiten spornen alle nur an, mit noch mehr Eifer weiterzuarbeiten. Und all das mit dem Ziel in dieser unscheinbaren Halle in Augsburg eine Rakete zu bauen, welche in Deutschland noch ihresgleichen sucht.

 

Was war die größte Herausforderung?

Wie bereits erwähnt, wurde uns von Beginn an ein hohes Maß an Verantwortung übertragen, das mit zunehmender Erfahrung in der Firma auch noch anwuchs. Nichts anderes habe ich mir auch gewünscht, denn ich wollte ja schließlich etwas bewirken. Dennoch hat mich dies natürlich auch mit dem nötigen Respekt und manchmal auch etwas Unsicherheit erfüllt. Durch die Hilfe meiner Freund*innen und besonders die Unterstützung meiner Teamleiter*innen und Mentoren habe ich allerdings gelernt, dass ich diese Herausforderung zwar respektieren, aber keinesfalls fürchten sollte. Mir wurde klar, dass ich aus den Fehlern, die mir natürlich auch unterlaufen sind, lernen kann. Vorwürfe wegen Fehlern hat mir niemand gemacht.

 

Wie war das Zusammenwirken von Professor an der Hochschule Kaiserslautern und Chefs in der RFA?

Wir hatten zu Beginn der Bachelorarbeit ein gemeinsames Zoom-Meeting mit Prof. Dr.-Ing. Michael Magin sowie meinem Teamleiter und direkten Vorgesetzten. Ich stellte meine ungefähren Vorstellungen der Bachelorarbeit allen Beteiligten vor. Meine Kolleg*innen und Professor Magin, der an der Hochschule auch Vizepräsident für Internationalisierung ist, tauschten sich darüber hinaus über weitere gemeinsame Interessenfelder aus.

Wie gewohnt war Professor Magin für mich ein sehr unkomplizierter, freundlicher und hilfsbereiter Mentor. Während der Bachelorarbeit hat er mir viel Freiraum in deren Gestaltung gelassen. In regelmäßigen Gesprächen wurde besprochen, wie es weiter gehen kann. Besonders beeindruckt war ich, als er mir auf meine Frage nach Inhalten, die er sich wünscht, folgendes geantwortet hat: „Herr Braun, mein Ziel ist es, dass Sie während Ihrer Bachelorarbeit etwas lernen, in dem Feld, das Sie interessiert. Natürlich gibt es Vorschriften über das Anfertigen und den Kontext einer Bachelorarbeit, an die Sie sich halten müssen. Inhalte allerdings werde ich Ihnen nicht vorschreiben.“ Unter dieser Prämisse habe ich meine Bachelorarbeit geschrieben, konnte mich ganz auf die Erfordernisse und Erwartungen der Firma konzentrieren und wurde währenddessen von Prof. Magin bei Fragen unterstützt.

Bei RFA hätte ich mir keine besseren Chefs wünschen können. Mein Team-Lead und ein Team-Lead einer anderen Abteilung, mit dem ich viel zu tun hatte, waren mir gegenüber immer fair, kollegial und offen für meine Probleme. Sie waren natürlich meine Vorgesetzten und mussten mir Aufgaben übertragen. Ich hatte allerdings nie das Gefühl, von ihnen herumkommandiert zu werden. Das Verhältnis war von Wertschätzung geprägt und ähnelte dem Umgang mit gleichgestellten Kolleg*innen. Auch der COO Stefan Brieschenk sieht sich nicht über seinen Mitarbeiter*innen, sondern redet auch mit Praktikant*innen auf Augenhöhe und diskutiert über Vorschläge und Probleme.

 

Was war das Wichtigste, dass Sie in dieser Zeit gelernt haben?

Mir wurde während meiner Zeit bei RFA und besonders durch meine Bachelorarbeit bewusst, dass es meine Leidenschaft und mein Ziel ist, in einer interessanten Firma als Designer (Konstrukteur) zu arbeiten. Das Auseinandersetzen mit Aufgabenstellungen, das Finden von Mechanismen, die diese Aufgaben lösen, und das Konstruieren einer komplexen Maschine sind jetzt schon meine Leidenschaft geworden.

Weiterhin ist mir einmal mehr klar geworden, wie wichtig es ist, Fehler als unvermeidbar, quasi natürlich anzusehen, diese zu verstehen, aus ihnen zu lernen und mit voller Kraft nach einer Lösung zu suchen.

 

Welche Bedeutung für Ihre Zukunft hatte die Zeit in Augsburg?

Abgesehen davon, dass ich gute Freund*innen gefunden habe, von denen mich manche immer noch begleiten, habe ich Erfahrungen machen dürfen, die ich wohl nie vergessen werde. Und ich habe herausgefunden, dass es kaum ein anspruchsvolleres und interessanteres Arbeitsfeld für  Ingenieur*innen gibt als Raketen zu bauen. Aus persönlichen Gründen habe ich an die TU-Delft gewechselt und studiere derzeit MSc. Maschinenbau.

Die Chance, die mir die Hochschule Kaiserslautern, mein Betreuer Prof. Magin, das Kaiserslautern Racing Team und die Rocket Factory Augsburg eröffnet haben, um im Wortsinne Raketentechnik zu betreiben, wird wohl mein Berufsleben prägen.

 

Über die Rocket Factory Augsburg (RFA)

Rocket Factory wurde im Jahr 2018 als unabhängiges Start-up gegründet. Strategische Investoren sind die OHB SE und das Venture Capital Unternehmen Apollo Capital Partners. RFA vereint somit die Freiheit eines agilen Start-ups mit New-Space-Philosophie mit der Möglichkeit, die enorme Erfahrung des 1-Milliarde-Euro-Raumfahrtkonzerns OHB SE und seiner 3.000 Mitarbeiter*innen zu nutzen.

Die Rocket Factory Augsburg (RFA) hat sich zum Ziel gesetzt, einen präzisen, regelmäßigen und kostengünstigen Zugang zum Weltraum zu ermöglichen. Zu diesem Zweck entwickeln die Schwaben die leistungsstärkste Rakete für Nutzlasten bis zu 1.300 Kilogramm. Wie Henry Ford die Autoproduktion revolutionierte, will RFA quasi am Fließband vorhandene Standardteile aus einer Reihe von Branchen verwenden und so den Zugang zum Weltraum demokratisieren.

Um das Ziel zu erreichen, deckt RFA alle technischen Bereiche von der Systementwicklung, Konstruktion und Analyse bis hin zu Produktion und Test ab. Die Mitarbeiter*innen des Kernteams haben bei  New-Space-Unternehmen sowie in etablierten Unternehmen der Raumfahrtindustrie gearbeitet.

Mehr Satelliten sollen Daten aus der Umlaufbahn liefern, um unseren Planeten besser zu verstehen und zu schützen. RFA arbeitet letztlich daran, einen Überblick über Klimawandel, Urbanisierung, Mobilität oder Landwirtschaft zu ermöglichen. Ein solcher Überblick lässt sich am besten von oben gewinnen. RFA fliegt somit in den Weltraum, um der Erde näher zu kommen.

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