Forschendes Lernen in der Logistik
Wie (Selbst-)Versuche im Praktikum das Lehren und Lernen im Studiengang LOGISITK praxisnah und ganz konkret verbessern können
Learning by Doing mal anders: Professor Martin Wölker adaptiert und implementiert Erkenntnisse der Studierenden in seiner Lehre und erschafft somit nicht nur einen Mehrwert für die Studierenden, sondern auch eine kontinuierliche Verbesserung seiner Methodik. Hier erzählt er, wie es dazu kam und was es mit dem PIRMASENSER MINT-PRAKTIKUM auf sich hat:
Jeder der schon mal ein Labor-Praktikum mitgemacht hat weiß: wenn man der Beschreibung folgt, dann klappt der Versuch immer. Die Anleitung muss man nicht wirklich nachvollziehen. Worum es dabei überhaupt geht spielt keine Rolle, man braucht nur das Testat und die Altprotokolle bekommt man easy von Kommilitonen.
Ist das Lernen im Labor-Praktikum also wirklich ein Selbstläufer, ganz wie der Aufbau eines Bücherregals aus dem schwedischen Möbelhaus?
Spoiler-Alert: Ganz so einfach ist es dann doch nicht. Deshalb haben wir im Studiengang LOGISITIK eine ganz eigene Herangehensweise an praxisnahes Lernen: Unser Pirmasenser MINT-Praktikum.
Plan
Mit der Einführung des Studiengangs Logistics - Diagnostics and Design im WS 2012/13 habe ich ein neues Praktikums-Konzept designt. Grundsätzlich sind alle Versuche ein Problem, das als kurzes Projekt im studentischen Team zu bearbeiten ist. Die Herausforderung: Es gibt bewusst keine detaillierte Anleitung. Der Lösungsweg ist stets selbst zu „entdecken“.
Das war im ersten Semester des neuen Studienganges natürlich erst mal nur ein netter Plan. Montag mit Vorlesungsbeginn war die Mail da, dass die Akkreditierung des Studiengangs erfolgreich war – und freitags war der erste Praktikumstag.
Do
Wir hatte also nix und konnten auch nix bei Kollegen bekommen. Alles neu.
Ich kann mich noch an den ersten Versuch erinnern: Ludwig Peetz, auch eine Physiker, sagte zu den Studierenden: "Die B10 ist eine wichtige Verkehrsverbindung in der Südwestpfalz. Machen Sie eine Verkehrsuntersuchung und halten in 2 Wochen darüber einen Vortrag." Zum Glück hat Ludwig mich im ersten Jahr unterstützt (DNH 2018: Kompetenzorientierung durchs Pirmasenser MINT-Praktikum).
Das war schon krass für die Studierenden, gleich in der ersten Studienwoche so ein Auftrag. Aber genau so haben wir weitergemacht. Natürlich kann ich den Studierenden nicht einfach sagen: "das musst du so und so machen". Das sollen sie ja selbst finden. Gar nicht so einfach, da bin ich mehr Coach als der Allwissende, der den jungen Leuten die Weisheit von oben eintrichtert.
Ein Jahr später gab es die erste schriftliche Anleitung, die ich dann bis Wintersemester 2017/18 permanent weiterentwickelt habe, z.B. in dem wir ein Musterprotokoll bereit stellten (Protokoll ohmscher Versuch). Ab 2017 war der Ablauf dann recht stabil (Handbuch zum MINT-Praktikum 2017). Alte Versionen stehen aus Gründen der Dokumentation im Downloadbereich.
Check
Nachdem das Pirmasenser MINT-Praktikum ein paar Semester lief, war es Zeit, zu überprüfen, wie gut die Lernziele mit dieser Methode erreicht wurden. Mit zwei Projektarbeiten im forschenden Lernen (Entwicklung des Pirmasenser-10-Sprungs, Evaluationsbögen in Deutsch und Englisch, Evaluation des Pirmasenser-10-Spungs) haben Studierende den Pirmasenser-10-Sprung entwickelt.
Parallel dazu haben wir mehrere Forschungsarbeiten auf dem International research symposium on problem based learning veröffentlicht (2016: Gestaltung eines MINT-Praktikums, 2017: Der Pirmasenser-10-Sprung im MINT Praktikum, 2018: Internationale Teams im MINT-Praktikum).
Act
Der Pirmasenser-10-Sprung wurde noch angepasst und ist heute das Standard-Vorgehensmodell im Pirmasenser MINT-Praktikum. Dafür gibt es eine automatisierte Präsentation (Pirmasenser-10-Sprung) und die passende Checkliste (Kontrolle beim Pirmasenser-10-Sprung).
Im Jahrbuch der Logistik 2020 beschreibe ich in meinem Artikel Kompetenzorientierte Logistik-Ausbildung den Stand im Wintersemester 2019/20.
Mein Fazit
Unsere Erfahrungen mit einer solchen offenen Herangehensweise an Forschendes Lernen in direkter Anwendung bereitet nicht nur große Freude für mich als Dozent, sondern wurde unter den Studierenden auch fachlich als große Bereicherung empfunden: es ist eine kontinuierliche Verbesserung der Methodik aus der Erfahrung und Erforschung von Studierenden für Studierende – und quasi fast nebenbei entstehen auch noch die Inhalte und Prüfungsleistungen für das eigene Studium.
Doch ein Wort zu Warnung: Laissez-faire ist im Studium der Logistik keine Option, im Gegenteil. Ich zitiere abschließend einen meiner Alumni:
"In anderen Studiengängen ist Mathe die Klippe, an der viele scheitern. In der Logistik ist es MINT-I und II. Wer damit durch ist, der ist kompatibel für den Studiengang."
Wir danken Prof. Dr. Martin Wölker für die Autorisierung dieses Beitrags aus seinem Blog MARTINS WAHRE LOGISTIK
Studierende in diesem Projekt Forschendes Lernen waren Jaclyn Daggett, Sebastian Kranitz, Linda Tapp und Marc Weber
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