Selected Open Innovation (SOI) – Gedanken zur Ausgestaltung der „openness“
Open Innovation ist als neues Paradigma Gegenstand der aktuellen Forschung und Anwendungspraxis im Bereich Innovationsmanagement. Crowdsourcing und insbesondere Ideenwettbewerbe, als zentrale Bestandteile der Open Innovation, erfreuen sich zunehmender Beliebtheit, aber insbesondere bei kleinen und mittelständischen Unternehmen gibt es noch hohe Hemmschwellen. So zeigt z. B. eine Studie der MFG Baden-Württemberg und der PR-Agentur Sympra (GPRA) aus Stuttgart, dass ca. 76 % der befragten Unternehmen in Baden Württemberg dem Open Innovation Ansatz ablehnend gegenüber stehen. 1)
Auch beim Auftakttreffen des Unternehmenskreises „OpInnoMeth“ im Aprill 2011, äußerten insbesondere KMU-Vertreter große Skepsis an Open Innovation Methoden, wie z. B. Online-Ideenwettbewerben. Die gleichzeitige Offenheit gegenüber Open Innovation (OI) in einer geschützteren Umgebung (wie z. B. dem Unternehmerkreis) führte jedoch zu dem Gedanken, Ideenwettbewerbe so zu konfigurieren, dass der Suchende sich „seine“ Crowd für das Crowdsourcing aus einer Auswahl von Gruppen (im Folgenden: SOI-Gruppen) selbst zusammenstellen kann – wir bezeichnen dies als Selected Open Innovation (SOI).
Da, im Gegensatz zum üblichen Crowdsourcing, verschiedene Gruppen einzelfallbezogen konfiguriert werden und die zusammengesetzte Crowd somit nicht anonym ist, können einzelne Gruppen definiert angesprochen werden. Gleichzeitig wird die schnelle OI-Methode des Ideenwettbewerbs nun auch durch gruppengerechte Verfügbarmachung von komplexer Innovationsmethodik in Bezug auf die Qualität und Elaboriertheit der Lösungen verbessert. D. h., dass komplexe Experten-Methoden zur qualitativen Aufwertung des Innovationsprozesses aus, die bislang nur im „Closed-Innovation“-Kontext eingesetzt werden, mit entsprechender Anpassung auch in schnelle OI-Prozesse implementiert werden können.
Wie könnte eine Selected Open Innovation gestaltet werden?
SOI-Gruppen wie z.B. „Studierende der FH KL“ oder regionale IHK-SOI-Gruppen werden über online- oder Präsenzschulungen in die Thematik eingeführt.
Suchende Unternehmen registrieren sich bei einer Online- Plattform und wählen eine entsprechende SOI- Gruppe zur Lösung ihres „Problems“. Hierbei erhalten sie nicht nur bei der Generierung von Lösungen Unterstützung, sondern bereits bei der Problemdefinition und Ausgestaltung ihres Wettbewerbs.
Im Detail: Für jeden einzelnen Ideenwettbewerb hat der Suchende also nun die Möglichkeit, sich „seine“ Crowd aus den existierenden SOI-Gruppen selbst zusammenzustellen. Dies führt zu einer Vielzahl an Vorteilen, von denen hier nur einige kurz skizziert sein sollen:
- Vertrauen: Ein Charakteristikum der SOI-Gruppen kann der Grad er Anonymität sein. So kann es Gruppen geben, deren Mitglieder sich inkl. aller relevanten Daten (z. B. Firmenzugehörigkeit) dem Suchenden offenbaren, bis hin zu Gruppen in denen weitestgehende Anonymität herrscht. Selbstverständlich sind dann auch alle Zwischenstadien denkbar. Auf diese Weise kann der Suchende im Einzelfall abwägen, in wie fern er Anonymität wünscht bis hin zur Position, ggf. alle Suchende persönlich auswählen zu können.
- Fokussierung: Die oftmals breiten Lösungsspektren in Ideenwettbewerben können durch SOI fokussiert werden. Die Möglichkeiten sind vielfältig – beispielsweise können solche SOI-Gruppen gewählt werden, die dem Zielkundensegment einer Problemstellung angehören. Charakteristika können durch eine entsprechende SOI-Konfiguration vielfältig sein (z. B. regionale, demographische, persönliche Aspekte).
- Professionalität: Durch die SOI-Gruppen kann die gezielte Zusammensetzung der Crowd aus Unternehmen oder aus Privatpersonen realisiert werden (wie in all diesen Beispielen selbstverständlich immer auch alle Zwischenstadien dieser beiden Extrema). Eine weitere Gestaltungsmöglichkeit liegt darin, bewusst bestimmte Expertisen und Erfahrungen durch Auswahl entsprechender SOI-Gruppen zusammenzuführen.
- Geschwindigkeit und Qualität: Wie bereits erwähnt bietet die Konfiguration der SOI-Gruppen den Vorteil, dass viele dieser Gruppen ansprechbar werden. Sie können somit gruppenspezifisch mit Informationen versorgt werden. Auch können gruppenspezifische Qualifikationen stattfinden und über eine Plattform oder andere geeignete Hilfsmittel können diese Gruppen währende des gesamten Prozesses Unterstützung erfahren (z. B. in weniger populären Schritten eines Problemlösungsprozesses wie Situationsanalyse oder Ideenbewertung und –auswahl).
- Inner- zwischen- und außerbetriebliche Nutzung: Wie bereits angedeutet, können die Suchenden (in der Regel Unternehmen) in einer Selected Open-Innovation leicht entscheiden, ob Sie im angestoßenen Prozess mit Unternehmen oder Individuen kooperieren und dies inkl. aller Zwischenstadien sehr fein anhand unterschiedlichster Kriterien auskonfigurieren.
Gleiches gilt auch für die innerbetriebliche Nutzung im Rahmen größerer Unternehmen. SOI-Gruppen könnten hier z. B. nach Bereichen, Sparten, Ländern etc., aber auch nach Kriterien wie z. B. Alter, Betriebsangehörigkeit, Ausbildung etc. gebildet werden.
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Selected Open Innovation bietet viele spannende Herausforderungen und Chancen für Theorie und Praxis. Wenn Sie mit uns in diesem Feld gemeinsam arbeiten oder forschen möchten, freuen wir uns auf Ihr Interesse – umgekehrt schließen wir uns auch gerne Ihren Aktivitäten in Industrie und Forschung an.
Prof. Dr.-Ing. Christian M. Thurnes,
Zweibrücken, 11.07.2011