Für die Technik von der Natur abschauen – Faszination Mikro- und Nanotechnologie

Finn-Merlin Deckert: Absolvent Mikrosystem- und Nanotechnologie

Mehr als 150 Milliarden Transistoren – die Hauptbestandteile von Mikrochips – sind in einem Smartphone verbaut. Einer der Experten, die dafür sorgen, dass wir jederzeit und überall im Hosentaschenformat die Welt zu uns holen können und vieles mehr ist Finn-Merlin Deckert. Er ist Entwicklungsingenieur für Halbleiterprozesse bei CiS Forschungsinstitut für Mikrosensorik GmbH in Erfurt.

Eigentlich wollte der 34-jährige Saarländer Elektrotechnik an der TU Kaiserslautern studieren. Aber dann haben ihm seine Mutter, die den Studiengang aus einem Zeitungsbericht kannte und ehemalige Schulkameraden, die bereits in Zweibrücken studierten, sein Interesse auf die Mikrosystem- und Nanotechnologie gelenkt. Nachdem er sich über mehrere Bücher eingehender über dieses Gebiet informiert hatte, fiel seine Wahl auf das Studienfach. Zum einen kam Zweibrücken seiner Heimatverbundenheit entgegen, aber mehr noch reizte den Naturliebhaber, dass sich die Mikrosystem- und Nanotechnologie – ganz anders als die eher abstrakte Elektrotechnik – sehr oft die Natur zum Vorbild nimmt.

So versucht man beispielsweise für die Herstellung von Beschichtungen den sogenannten „Lotuseffekt“ nachzuahmen, um nur ein Beispiel zu nennen. Der Lotuspflanze gelingt es durch ihre ganz spezielle Oberflächenbeschaffenheit, die nur unter einem leistungsstarken Mikroskop erkennbar ist, Wasser und Schmutz einfach an sich abperlen zu lassen. Dies baut man im Mikrobereich nach, um Fassaden, Badkeramik und andere Oberflächen jeglicher Art ebenfalls wasser- und schmutzabweisend auszustatten. „Seit meinem Studium gehe ich mit ganz anderen Augen durch die Natur“, erzählt Finn-Merlin Deckert, „so habe ich beispielsweise eine bessere Vorstellung, durch welche Mechanismen es einem 30 Meter hohen Baum gelingt, Wasser bis in die Krone zu transportieren.“

Finn-Merlin Deckerts Aufgabenbereich als Entwicklungsingenieur am CiS Forschungsinstitut für Mikrosensorik befasst sich nicht speziell mit Mikrochips für Smartphones, sondern eher mit der Chip-Herstellung im Allgemeinen. Mikrochips spielen in allen Bereichen, die mit Elektronik zu tun haben, eine wichtige Rolle, ob in der Fernbedienung, dem Airbag-Auslöser, in der Steuerung von allem, was fährt oder fliegt, oder in medizinischen Geräten. Mikrochips herzustellen ist ein sehr aufwändiger und langwieriger Prozess, bei dem jeder Arbeitsschritt mehr als haargenau sitzen muss, um möglichst wenig Ausschuss zu produzieren. Mehrere Monate kann die Herstellung dauern, die unter ganz besonderen Schutzbedingungen erfolgt, denn ein einziges Staubkorn könnte einen kompletten Arbeitsprozess zunichtemachen.

Auf sogenannten Wafern aus Silizium – das sind Siliziumplatten mit etwa einem Durchmesser von bis zu 45 Zentimetern - entstehen durch spezielle Belichtungs- und Beschichtungsverfahren viele Schichten von metallischen, halbleitenden und elektrisch isolierenden Materialien. Diese fügen sich zu Schaltkreisen zusammen und werden zu Halbleiter-Bauteilen, wie beispielsweise den sogenannten Transistoren, mit denen man Ströme oder Spannungen steuern kann. Sie können als Schalter, Regler oder Verstärker eingesetzt werden. Viele Milliarden Transistoren befinden sich auf einem Mikrochip und mehrere hundert Mikrochips finden Platz auf einem Wafer.

Gut nachvollziehbar, dass dabei jeder Arbeitsschritt seine eigenen Expertinnen und Experten benötigt. Entwicklungsingenieur Deckert ist an seinem Arbeitsplatz verantwortlich für die Entwicklung von Inkjet-Printing- und Galvanik-Prozessen zur Schichtabscheidung auf Silizium-Wafern und Silizium-Chips. Dies umfasst sowohl die Neuentwicklung von Prozessen als auch die Implementierung von bereits in der Industrie standardisierten Prozessen im Unternehmen.

„Im Speziellen liegt mein derzeitiger Aufgabenbereich in der Metallisierung der Wafer und siedelt sich am Ende der Wafer-Front-End Prozesslinien an. Beispielsweise müssen die Kontaktpads, die sich auf dem Mikrochip in unmittelbarer Umgebung zu den Sensor- und Aktor-Schaltkreisen befinden, durch eine Under Bump Metallization (kurz UBM) vor Korrosion geschützt werden“, erläutert er. Die Kontaktpads, die meist aus einer Aluminium-Silizium-Legierung (AlSi) bestehen, werden vor dem Vereinzeln beispielsweise mit einer Nickel- und Gold-Schicht überzogen. Dieser Prozess wird ENIG-Prozess (Electroless Nickel and Immersion Gold) genannt und dient der Vorbereitung der Mikrochips für das Drahtbonden und/oder Löten nach dem Vereinzeln der Wafer.

Deckerts Aufgabe besteht darin, für den Legierungsprozess die bestmöglichen Parameter zu ermitteln, die eine optimale Schichtabscheidung ermöglichen. Diese formuliert er dann in Form von Arbeitsvorschriften.

Was das Inkjet-Printing betrifft, ist er dafür zuständig, geeignete Druckparameter, Druckköpfe und Tintenformulierungen zu ermitteln, um die geforderten Schichten und/oder Leiterbahnen zu drucken. Diese somit hergestellten Schichten dienen meist als Katalysator-Schicht und/oder als Schicht zur Anpassung von Sensoren und Emittern.

Um diese Aufgaben zu bewerkstelligen sei viel Literaturrecherche notwendig, da er auf der Grundlagenforschung auf diesem Gebiet aufbauen muss. Das exakt gewünschte Ergebnis lasse sich aber allein aus der Theorie heraus in den seltensten Fällen vorhersagen. Deshalb sei im zweiten Schritt Experimentieren angesagt, woran er am meisten Freude hat. Ändert man einen Parameter nur minimal, kann sich die gesamte Schicht ändern. „Deshalb“, so erläutert er, „muss man die richtige Balance zwischen Physik und Chemie herausfinden, wozu man viel Erfahrung, Ausdauer und Geduld braucht.“ Zum Beispiel sei es wichtig, zu wissen, wie stark man einzelne Stoffe erhitzen darf.

Durch sein Studium in Zweibrücken fühlt sich der Ingenieur gut auf diese Aufgaben vorbereitet. Vor allem praktische Versuche im Labor und seine Tätigkeit als Studentische Hilfskraft hätten ihm viel Wissen und Erfahrung gebracht: „Wer in die Prozessentwicklung gehen möchte, sollte während des Studiums möglichst viel im Reinraum arbeiten und Prozesse hinterfragen“, rät er. Auch, dass er viel in den Arbeitsgruppen von Professorin Saumer und der Professoren Picard und Baller gearbeitet hat, war hilfreich für ihn sowie der regelmäßige Besuch der Vorlesungen: „Die Profs erzählen auch mal etwas aus dem Nähkästchen und man erfährt Dinge, die nicht im Skript stehen.“

Sein Studium hat Finn-Merlin Deckert so gut gefallen, dass er nach dem Bachelor- auch noch den Master-Abschluss absolvierte. Viel Zeit verbrachte er auch während der vorlesungsfreien Zeit in der Bibliothek und im Reinraum. „Es machte mir großen Spaß, immer wieder Neuland zu betreten“, erinnert er sich gern an seine Studienzeit zurück. Auch im Laufe seines Berufslebens hofft er, noch viel Neuland zu betreten.