Mit Teamgeist forschen
Mit hohem Engagement haben Forschende der Hochschule Kaiserslautern ihre wissenschaftlichen Aktivitäten in den letzten Jahren ausgebaut. In manchen Bereichen hat sich eine Exzellenz gebildet, die auch international Aufmerksamkeit auf sich zieht. Im hart umkämpften Wettbewerb um EU-geförderte Projekte ist die Hochschule mittlerweile konkurrenzfähig auch gegenüber renommierten Universitäten. Die Forschungserfolge liegen auch in der ausgeprägten Kultur interdisziplinärer Zusammenarbeit begründet. Im Interview berichten Prof. Dr. Monika Saumer, Fachbereich Informatik und Mikrosystemtechnik, und Prof. Dr.-Ing. Sven Urschel, Fachbereich Angewandte Ingenieurwissenschaften, über ihre Erfahrungen beim Arbeiten über Fachgrenzen hinweg. Die Chemikerin und der Ingenieur kooperieren in Projekten an der Schnittstelle zwischen den Lebens- und Ingenieurwissenschaften.
Warum funktioniert der interdisziplinäre Austausch an der Hochschule so gut?
Monika Saumer: Es liegt in erster Linie an den Menschen, die hier lehren und forschen. Die Kolleginnen und Kollegen sind sehr neugierig und offen für andere Disziplinen. Wir wissen, dass wir in fachübergreifenden Teams zu völlig neuen Erkenntnissen kommen können, da wir komplexe Probleme aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten.
Sven Urschel: Hinzu kommt, dass wir fast alle zuvor auch in der Industrie gearbeitet haben und es daher gewohnt waren, interdisziplinär in verschiedenen Projektteams zusammenzuarbeiten. Das ist ein großer Vorteil.
Was sind die strukturellen Voraussetzungen dafür?
Saumer: Wir sind eine kleine Hochschule, da ist Interdisziplinarität fast schon eine Notwendigkeit. Es fängt damit an, dass wir Laborgeräte und Versuchsanlagen teilen. Das ist nicht selbstverständlich. Aber erst dadurch sind wir so richtig schlagkräftig geworden, auch im Vergleich zu großen Forschungsinstituten.
Urschel: Die Büros liegen eng nebeneinander, die Wege sind kurz, und so begegnet man sich oft. Man trinkt einen Kaffee zusammen, redet in der Mensa über eine neue Idee, vielleicht auch noch nach den Vorlesungen bei einem Bier oder Sport. Hier herrscht eine familiäre Atmosphäre.
Saumer: Mit der Zeit entwickelt sich eine gewisse Vertrautheit, dann ist alles viel unkomplizierter. Vertrauen ist wichtig; das Gefühl, dass der eigene Beitrag im fachübergreifenden Team wertgeschätzt wird. Wenn wir unsere Forschungsergebnisse veröffentlichen zum Beispiel, muss ganz transparent sein, wer was geleistet hat.
Was müssen die Forschenden noch mitbringen?
Saumer: Einfach auch mal im Team sagen können, dass man etwas nicht weiß. Das ist eine wichtige Voraussetzung für eine Zusammenarbeit, die Fachgrenzen überschreitet: seine eigenen Grenzen zu erkennen.
Urschel: Das erfordert Mut im Wissenschaftssystem, aber wir haben diesen kollegialen Raum. Man braucht Empathie, um sich in fremde Disziplinen und die Menschen, die sie vertreten, hineinzudenken. Wir müssen immer eine gemeinsame Sprache finden.
Wie profitieren Sie fachlich von den Kooperationen?
Urschel: Wenn man sich erst mal in eine andere Denkweise eingearbeitet hat, kommt man auf Ideen, die man sonst nie gehabt hätte. Die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen aus den Biowissenschaften zum Beispiel hat mir als Ingenieur zu interessanten Einsichten verholfen – und einem komplett neuen Forschungsgebiet. Begonnen hat es mit der gemeinsamen Entwicklung eines künstlichen Darms. Dort haben wir mit lebenden Zellen gearbeitet und mir wurde klar, wie sensibel biologische Systeme reagieren. Jetzt widme ich mich als Wissenschaftler dem Thema „Soft-Aktorik“, einem zukunftsträchtigen technologischen Ansatz.
Saumer: Neben meiner Kreativität als Wissenschaftlerin gewinnt immer auch die Lehre. Die Seminare werden interessanter, wenn ich darin fachlich über den Tellerrand schaue, um den Horizont der Studierenden zu weiten.
Welche anderen Türen öffnet fachübergreifende Forschung?
Urschel: Interdisziplinarität führt zu mehr Internationalisierung. Wir sind weltweit sichtbarer geworden, seit wir als Forscherteams publizieren und in hochwertigen Veröffentlichungen zeigen, wie viel Kompetenzen die Hochschule hat.
Saumer: Auch die Grundlagenforschung profitiert. In fachübergreifenden Projekten muss man tiefer in die Materie einsteigen – manchmal im wahrsten Sinne des Wortes. Bei den Forschungen zum Thema Werkstoffen zum Beispiel gehen wir bis in die Mikroebene hinein. Mehr erkenntnisgeleitete Wissenschaft führt wiederum zu mehr öffentlich geförderten Drittmitteln in großen Projekten, wie sie etwa von der Deutschen Forschungsgemeinschaft vergeben werden. Mit den gestiegenen Budgets können wir dem wissenschaftlichen Nachwuchs interessante Perspektiven bieten, zum Beispiel im Rahmen von kooperativen Promotionen.
Mit welchen Argumenten würden Sie Forschungstalente davon überzeugen, eine Professur an der Hochschule Kaiserslautern anzustreben?
Urschel: An erster Stelle steht die Freiheit, die uns die Professur an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften bietet. Wir können selbst bestimmen, worüber wir forschen und wie wir die Lehre gestalten. Die Ausstattung in den Werkstätten und Laboren ist hochwertig, was sehr gute Forschung erlaubt. Ich schätze den intellektuellen Austausch mit Forschenden aus so unterschiedlichen Fächern und den Teamgeist, der hier herrscht. Das macht es einfach, anzukommen, zu starten und sich zu entfalten.
Haben Sie auch privat etwas von Ihrer fachübergreifenden Arbeit gelernt?
Saumer: Interdisziplinäre Forschung ist zunächst immer ein Gespräch. Es gilt, unterschiedliche Perspektiven zu verstehen und ein gemeinsames Vokabular zu entwickeln. Wir diskutieren zum Beispiel viel über die Unterschiede in der Verwendung von Fachbegriffen und Bezeichnungen. Mittlerweile bin ich so trainiert darin, anderen Fachkulturen gut zuzuhören, dass das auch auf meine private Kommunikation abfärbt. Missverständnisse können viel früher geklärt oder ganz verhindert werden. Das macht alles viel entspannter.